Ich studiere nun im vierten Semester Biologie.
Mein Gott, habe ich mir bei Studienbeginn viele Hoffnungen gemacht. Ich fand das Studium des Lebens einfach großartig, hegte große Erwartungen, sog alles auf, was ich darüber nur in die Finger bekommen konnte. Es war einfach fantastisch, Muskelzellen selbst zu erschaffen, sich mit den Überlebensstilen von Pflanzen, Tieren, Pilzen und auch Bakterien auseinander zu setzen. Für mich tat sich eine Welt auf, die ich so noch nicht kannte.
Meine Beweggründe ein Biologiestudium zu beginnen waren zum einen von Wissensdurst, zum anderen aber auch von Vernunft gezeichnet. Ich wollte ein Studium, das ein breites Angebot an wissenschaftlichen Bereichen abdeckte. Chemie, Physik, Mathematik, Kräuterkunde, Tierverhaltensweisen, Toxikologie...das sind wundervolle Bereiche, aus denen ich viel mitgenommen habe.
In der ganzen Zeit, eigentlich von Anfang an wurde ich mir zunehmend unsicherer. Das erste Semester lief trotz Büffeln schon nicht so gut. Ich schrieb drei Vierer und eine Zwei Puls (aber auch nur, weil der Prof niemanden unter einer Zwei hat gehen lassen). Auch das zweite Semester lief nicht besser.
Woran lag das? Das dritte Semester war...naja...genauso miserabel. Warum? Ich habe mich doch eigentlich dahinter geklemmt! Oder nicht?
Das Lernen fiel mir weiterhin schwer, trotz Lerngruppen schaffte ich die Klausuren im zweiten Semester auch wieder nur gerade so, die im dritten Semester eigentlich kaum noch.
Was mich nebenbei beschäftigte, war die Arbeit mit Kindern. Schon damals fragte ich mich, ob ich nicht ein Lehramtstudium beginnen sollte. Da ich fast ein ganzes Jahr selbst in einer Grundschule ausgeholfen habe und da nebenbei ab und an mal die Klasse übernommen habe - damals eine dritte Klasse, außerdem manchmal Aushilfe in anderen Klassen - Lesen lernen für ausländische Kinder, etc., wusste ich bereits, auf was ich mich einlassen würde.
Aber mein Selbstbewusstsein ließ es nicht zu, ich hatte Angst davor. Die ganzen Praktika, dann das Referendariat, außerdem viele Vorträge etc. pp.
Während der letzten Monate habe ich zunehmend mehr mit Kindern gearbeitet. Nebenbei leite ich einen Kinderchor, außerdem gebe ich musikalischen Unterricht.
Ich liebe die Arbeit mit Kindern. Ich habe sie schon immer geliebt, aber mich bisher nicht stark genug gefühlt, so etwas weiter auszubauen.
Was sollte ich schon tun? Ich kleines Etwas...mit Kindern? Die tanzen mir doch auf der Nase herum...!
Nein, tun sie nicht. Seit vier Jahren tun sie es im Chor nicht.
Ich bin nicht die tolle Lehrerin, die sich an die Lehrmethoden hält, die hierzulande ausgeübt werden. Kindern wird viel zu sehr auf ihrem Selbstbewusstsein herumgetreten.
Als ich das erste Mal musikalischen Unterricht mit einer 9-Jährigen gehalten habe, ist das Kind zusammengezuckt und hat den Kopf eingezogen, als es einen Fehler machte.
Fehler machen heißt, sich zu blamieren. In der Schule werden Kinder, die Fehler machen, vom Lehrer vor den anderen blamiert.
Warum ich mit meinem Studium aufhöre? Nicht, weil ich es nicht mehr machen will. Und wie ich Biologie liebe, das Lernen vom Leben. Ich werde mich mein leben lang weiter damit beschäftigen. Aber nicht als Biologin. Nicht in einem drei Jahre andauernden Studium, dass wirklich hohe Ansprüche hegt.
Man lernt nur grob, quetscht sich das Wissen irgendwie rein, "kotzt" es dann bei der nächsten Klausur wieder aus. Behalten hat man sich danach nur grobe Eckdaten.
Auch wenn alle mich für verrückt halten, im vierten Semster - nach zwei Jahren Studiendauer - zu schmeißen - ich würds wieder tun, wenn ich in der selben Situation gewesen wäre. Was nützt mir ein Abschluss von 3 komma irgendwas? Mich nimmt niemand.
Viele sagen mir nach, dass ich mich von meinem Bald-Mann, der ja auch Pädagogik-Student ist, beeinflussen lasse. Dass ich in seine Richtung tendiere.
Nein. Ich lasse mich von nichts und niemandem mehr beeinflussen. Das ist meine freie Entscheidung. Ich weiß, ich habe bereits eine Ausbildung hinter mir - und da habe ich damals schon den Fehler gemacht, nicht auf mein Selbst zu hören und die Ausbildung abzubrechen. Gut, ich habe nun eine fertige Ausbildung. Und weiter? Ich arbeite nie wieder in diesem Beruf, nach Ende der Ausbildung wollte ich einfach meine Tasche packen und weg aus diesem mobbenden Büro. Aber nein, ich habe wenigstens eine Ausbildung erfolgreich absolviert. Auf der einen Seite bin ich stolz darauf, sie geschafft zu haben. Klar, wer ist nicht stolz darauf, wenn man etwas absolviert hat.
Aber auf der anderen Seite frage ich mich: für was habe ich das jetzt gemacht? Ich hätte in diesem Beruf weiter arbeiten müssen, mich jeden Tag mit Neuerungen beschäftigen müssen - inzwischen hat sich so viel geändert, dass ich nicht mal mehr nebenbei tätig sein kann. Ich bin raus aus dem Job. Es würde wieder eine ganze Weile dauern, mir das ganze Wissen anzueignen, dass sich inzwischen wieder um ein vielfaches erweitert hat. Klar, es ist meine eigene Schuld. Warum habe ich mich nicht weiter damit beschäftigt, bin am Ball geblieben? Weil mir klar war, dass ich in dem Job nicht weiter machen wollte. Und wie hätte ich neben meinem Biologiestudium die Zeit aufbringen sollen, weiter an dem Wissen zu feilen? Das Studium hat ja schon alle Zeit für sich beansprucht. Ich habe lange Zeit von morgens bis abends gelernt und Aufgaben berechnet, Texte bearbeitet und mich vorbereitet. Und für was? Für Vierer.
Was habe ich fals gemacht?
Ich will mich nicht beklagen. Alles, was ich getan habe, entstand aus meiner eigenen Verantwortung heraus. Ich habe eine Ausbildung angefangen, die ich nach zwei Monaten am liebsten wieder abgebrochen hätte.
Ich habe diese Ausbildung nicht abgebrochen, weil ich mich zum einen habe beeinflussen lassen, zum anderen aber auch nicht selbst wusste, wie es weiter gehen sollte.
Ich habe mich für das Studium entschieden, weil ich es für erstrebenswert hielt, einen Abschluss darin zu machen.
Ich entscheide mich nun gegen das Studium, weil ich merke und mir eingestehen muss, dass ich den Anforderungen nicht genügend entgegenzusetzen habe. Und weil ich wohl noch mehr für das Studium hätte tun müssen.
Ich entscheide mich für ein weiteres Studium, das Lehramtsstudium, nicht weil ich mir davon erhoffe, dass sie Anforderungen dort geringer, aber doch von meiner Seite aus zu bewältigen sind.
Ich entscheide mich frei für dieses Studium, weil ich bemerkt habe, dass ich Kindern etwas beibringen möchte, was nicht nur Wissen ist.
Vielleicht bin ich in diesem Punkt Idealistin. Aber ich selbst hatte eine tolle Grundschullehrerin und ich habe mit tollen Grundschullehrern zusammengearbeitet, die alle noch Träume und Ziele hatten, die weit über die einfache Wissensvermittlung von Schülern hinausgingen.
Ich kann mit den Kindern im Grundschulalter am besten arbeiten.
Ich möchte mich darin probieren - ich möchte es schaffen.
Mein Bald-Mann war sehr überrascht, als ich abends heulend am Tisch saß über Chemie-Hausaufgaben gebeugt und echt verzweifelt war. Ich verstand einfach nichts mehr, konnte in der Zeit wirklich keinen einzigen Textinhalt mehr behalten. Zudem schaffte er es als Laie besser, weiterzudenken, als ich es jemals gekonnt hätte. Wenn Du (nicht nur) in der Wissenschaft arbeiten möchtest, reicht bloßes Textverständnis natürlich nicht aus. Du musst weiter denken können. Und das ist mir in der ganzen Studienzeit nicht ein einziges Mal gelungen. Vieles erschließt sich mir nicht. Vieles ist einfach nicht logisch für mich, bei vielem fehlt mir das Verständnis oder der richtige Blickwinkel für den Sachverhalt.
Ich bin kein außergewöhnlich rationaler Mensch, der sich an Daten und Fakten, an Studienergebnissen und an Diagramm-Auswertungen halten kann und dann ewig lang weiterführende Diskussionen darüber führen kann.
Ich bin kreativ, ich bin musikalisch, ich bin künstlerisch tätig. Vielleicht war das Studium zu sehr nach den Sternen gegriffen.
Vielleicht versuche ich mein Versagen auch nur damit zu rechtfertigen.
Vielleicht habe ich versagt, weil ich mich nicht noch mehr dahinter geklemmt habe.
Vielleicht hat mir das Verständnis gefehlt, weil ich die Studieninhalte nicht schnell genug aufgenommen habe.
Wer weiß, was der wahre Grund ist.
Auf jeden Fall ist das Studium gelaufen.
Ich werde einen neuen Weg gehen - und dieses Mal komplett zu Ende. Ohne mich beeinflussen zu lassen.
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